Basler Regionalnetz engagiert in der Weiterbildung


In der Aus- und Weiterbildung von psychiatrischen und psychotherapeutischen Fachpersonen hat sich das Basler Regionalnetz bestens etabliert. Eine Zwischenbilanz.
PD Dr. med. Dr. phil. Daniel Sollberger ist stellvertretender Direktor Erwachsenenpsychiatrie der Psychiatrie Baselland und Co-Leiter des Basler Regionalnetzes. Im Interview informiert er über die aktuelle Lage der Psychiatrieausbildung.
Der Anteil der Psychiaterinnen und Psychiater an der gesamten Ärzteschaft liegt seit vielen Jahren bei etwa zehn Prozent, obwohl die Zahl der Fälle stetig steigt. Haben wir zu wenig psychiatrische Fachpersonen?
Daniel Sollberger: Die Inanspruchnahme psychiatrisch-psychotherapeutischer Leistungen hat in den letzten Jahren zugenommen, vor allem auch aufgrund der Pandemie. Darum steigt auch die Zahl neu erkrankter psychiatrischer Patientinnen und Patienten. Dass wir zu wenig pflegerische und ärztliche Fachkräfte in der Psychiatrie haben, ist schon länger bekannt.
Und was wird dagegen getan?
Wir sind aktuell mit den Kantonen Baselland und Basel-Stadt daran, die Zukunft der Psychiatrie im gemeinsamen Gesundheitsraum Nordwestschweiz zu planen. Dabei zeigt sich, dass wir auch die Aus- und Weiterbildung verstärken müssen. Wir haben schon heute zunehmende Schwierigkeiten, Fachpersonal zu rekrutieren.
Im Kanton Bern müssen immer mehr Hausärztinnen und -ärzte Menschen mit schweren psychischen Problemen betreuen, weil psychiatrische Fachpersonen fehlen. Wie ist diese Entwicklung zu bewerten?
Hausärztinnen und Hausärzte sind häufig die ersten ärztlichen Ansprechpersonen auch für psychische Probleme, die sich ja nicht selten in psychosomatischen Leiden präsentieren oder aufgrund von Vorurteilen oder Stigmatisierungsängsten in den hausärztlichen Sprechstunden thematisiert werden. Hier erbringen die Hausärztinnen und -ärzte eine wichtige Versorgungsleistung. Sie stehen dann aber der Herausforderung gegenüber, ihre Patientinnen und Patienten in eine fachärztliche Weiterbehandlung zu bringen.

Warum ist das eine Herausforderung?
Weil es oft schwierig ist, gerade bei schweren psychiatrischen Erkrankungen die entsprechenden Fachärztinnen und Fachärzte zu finden. Der zunehmende Mangel dieser Fachpersonen spüren auch die psychiatrischen Institutionen, sei es im stationären oder ambulanten Bereich, wenn für eine ambulante Weiterbehandlung niedergelassene Kolleginnen oder Kollegen gefunden werden sollten. Dieser Fachkräftemangel ist der wichtigen Kontinuität in der Behandlungen abträglich.
"Mit Vorlesungen, der praktischen Anwendung von theoretischem Wissen, Arzt-Patient-Unterricht und anderen Projekten leisten wir einen grossen Beitrag an die universitäre Ausbildung junger Ärztinnen und Ärzte. Aber wir haben noch einen anderen Vorteil."
Wie ist es um den psychiatrischen Nachwuchs in der Region Basel bestellt?
Wir sind beim psychiatrischen Nachwuchs aufgrund der Stadtnähe zu Basel und der Grenznähe zu Deutschland wahrscheinlich etwas besser gestellt als anderen Landesteile in der Zentralschweiz. Wir haben in Basel eine Medizinischen Fakultät und eine psychiatrische Universitätsklinik, und die Psychiatrie Baselland ist als Lehrspital ebenso der Universität angegliedert. Mit Vorlesungen, der praktischen Anwendung von theoretischem Wissen, Arzt-Patient-Unterricht und anderen Projekten leisten wir einen grossen Beitrag an die universitäre Ausbildung junger Ärztinnen und Ärzte. Aber wir haben noch einen anderen Vorteil.
Und der wäre?
Unsere Nähe zu Deutschland erlaubt es manchen Studienabgänger*innen aus Deutschland als Grenzgängerin oder Grenzgänger in Deutschland weiter zu leben und in der Region Basel zu arbeiten. Diese Kolleginnen und Kollegen tragen dazu bei, den Fachkräftemangel etwas zu entschärfen.

Was motiviert Ärztinnen und Ärzte nach dem Studium, die Fachrichtung Psychiatrie zu wählen?
Die Motive sind unterschiedlich. Eines scheint mir sehr interessant: Nicht selten entscheiden sich junge Kolleginnen und Kollegen für die Psychiatrie, die bereits Erfahrungen in der Inneren Medizin oder auch anderen medizinischen Disziplinen gemacht haben. Sie sehen, dass in der Psychiatrie neben einer spezifischen Erkrankung wahrscheinlich mehr als in anderen Disziplinen der Medizin der Mensch als ganze Person mit Körper, Leib, Psyche und Geist wie auch in seinen sozialen Bezügen im Zentrum einer Behandlung steht.
Können Sie das präzisieren?
Die therapeutische Beziehung ist in der Psychiatrie nicht bloss die Grundlage der Behandlung, sondern zugleich deren Medium: Das Verstehen der Beziehung läuft über das Verstehen in Beziehung. Angehende Psychiaterinnen und Psychiater sind also in besonderen Mass am Zwischenmenschlichen interessiert. Zudem bietet das Fach mit seinen Verankerungen in (neuro)biologischen und genetischen Grundlagenwissenschaften sowie in Verhaltens-, Sozial- und Geisteswissenschaften ein grosses Spektrum für eine mögliche Spezialisierung und deren Integration in den klinischen Behandlungen. Das macht das Fach letztlich besonders attraktiv.
"Dem Netz sind die psychiatrischen und psychosomatischen Institutionen der Region angeschlossen, so dass deren Assistenzärztinnen und -ärzte diesen Ausbildungsgang kostenlos beanspruchen können."
Was tut das "Basler Regionalnetz", um den Nachwuchs an psychiatrischen Fachpersonen zu fördern?
Ärztinnen und Ärzte können im Basler Regionalnetz einen Teil ihrer fachärztlichen Ausbildung in Psychiatrie und Psychotherapie absolvieren. Dem Netz sind die psychiatrischen und psychosomatischen Institutionen der Region angeschlossen, so dass deren Assistenzärztinnen und -ärzte diesen Ausbildungsgang kostenlos beanspruchen können. Sie bekommen die verschiedenen Störungsbilder, die Diagnostik und Therapien vorgestellt. Zudem können sie in interaktiven Lerneinheiten im Basiskurs Psychotherapie, der interdisziplinär zusammen mit Mitarbeitenden der psychiatrischen Pflege durchgeführt wird, die professionelle Arbeit mit und an der therapeutischen Beziehung lernen.
In der Nordwestschweiz gibt es auch noch das Ausbildungszentrum für Psychoanalytische Psychotherapie (AZPP). Was unterscheidet das Basler Regionalnetz von dieser Institution?
Das AZPP ist ein privates, auf Vereinsbasis organisiertes Ausbildungszentrum für die psychoanalytische Psychotherapie. Es richtet sich an Fachpersonen, die den Titel als Fachpsychologin oder Fachpsychologe sowie Fachärztin oder Facharzt erwerben möchten. Dazu braucht es eine Vertiefung in einem psychotherapeutischen Verfahren, welches an einem anerkannten privaten Ausbildungsinstitut oder an einer Universität erworben werden kann. Das Basler Regionalnetz dagegen deckt mit seinen Basiskursen den ersten Ausbildungsteil ab.
Die Ausbildung am AZPP baut also auf den Basiskursen des Basler Regionalnetzes auf.
Ja, genau. Zwischen dem AZPP und Basler Regionalnetz gibt es aber personelle Verbindungen. So bin ich selbst etwa als Co-Leiter des Basler Regionalnetzes gleichzeitig im Vorstand des AZPP vertreten. Es gibt eine vertraglich vereinbarte Zusammenarbeit zwischen der Psychiatrie Baselland und den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel mit dem AZPP. Das AZPP garantiert darin die Weiterbildung der in den Kliniken arbeitenden Kandidatinnen und Kandiaten. Das betrifft im Übrigen nicht allein das AZPP, sondern auch andere psychotherapeutische Ausbildungsinstitute, in welchen die Therapieverfahren etwa der Kognitiven Verhaltenstherapie oder der Systemischen Therapie curricular gelernt werden können.
"Ich wünschte mir eine noch engere Zusammenarbeit bei gemeinsamen Veranstaltungen und Tagungen, aber auch einen stärkeren Transfer von der Theorie in die klinische Praxis."
Was könnte punkto Vernetzung der PBL mit der psychiatrisch-psychotherapeutischen Ausbildung in der Region Basel noch besser werden?
Die Kooperationen der PBL mit verschiedenen psychotherapeutischen Ausbildungsinstituten der Region und mit Institutionen in Deutschland haben sich bis jetzt bewährt. Ich wünschte mir eine noch engere Zusammenarbeit bei gemeinsamen Veranstaltungen und Tagungen, aber auch einen stärkeren Transfer von der Theorie in die klinische Praxis. Wir sind im Basler Regionalnetz darauf bedacht, das ärztliche und psychotherapeutische Kader der Institutionen in sogenannten Teach-the-Teachers-Veranstaltungen in ihren Ausbildungskompetenzen zu bestärken.