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«In der Therapie lernte ich, in den Spiegel zu schauen»

Katrin Schudel, zuständige Therapeutin, mit Ursula Bäumler, Patientin im ZPG.

Seit mehr als 20 Jahren begleitet Ursula Bäumler die Alkoholsucht. Nach einem jahrelangen Verstecken ihrer Abhängigkeit lernte sie in der Therapie Strategien, damit umzugehen. Obwohl sie einige Schicksalsschläge erlitt, blieb sie abstinent und konnte sich weiterentwickeln.

Heute geht es Ursula Bäumler (Name geändert) «trotz längerer und schwerer Krankheit gut». «Das wäre vor der Behandlung im Zentrum für psychische Gesundheit in Binningen (ZPG) der PBL nicht der Fall gewesen», meint sie rückblickend. Bei ihr wurde nämlich im Januar 2023 Brustkrebs diagnostiziert. In der Therapie ist Ursula Bäumler aber nicht aufgrund dieser Diagnose, sondern wegen ihrer Alkoholsucht.

Die Reise beginnt

Anfang des Jahres 2020 wendete sich Ursula Bäumler an die Psychiatrie Baselland (PBL). Zu diesem Zeitpunkt sei es ihr wegen Depressionen «ganz schlecht» gegangen, sagt sie. Damals war ihr der Zusammenhang zwischen der Sucht und der Depression noch nicht bewusst. Ursula Bäumler verbrachte fast zwei Monate stationär in der PBL. «In dieser sehr wertvollen Zeit wurde mir klar, dass ich mit der Sucht nicht mehr leben will», erzählt sie.  Aufgrund dieser Erkenntnis konnte sie sich schliesslich in der ambulanten Therapie bei der Psychologin Katrin Schudel im ZPG anvertrauen und ihre Probleme angehen.

Zu Beginn dachte Ursula Bäumler: «Ein paar Tabletten werden mir schon helfen.» Mittlerweile wisse sie jedoch, sagt sie, dass es für eine erfolgreiche Behandlung mehr brauche. «Medikamente können durchaus unterstützen, alleine damit werden Probleme meist nicht gelöst», ergänzt Katrin Schudel.

Lernen, in den Spiegel zu schauen

Während ihres stationären Aufenthaltes lernte Ursula Bäumler, «in den Spiegel zu schauen». Was sie damit meint: Ehrlich mit sich selber sein und die Tatsache annehmen, dass sie seit ungefähr 20 Jahren ein Problem mit Alkohol hat.

Bei früheren Behandlungen konnte sie das noch nicht sagen, da der Fokus damals auf der Depression lag und ihr schlimmer Zustand auch von Fachpersonen nicht gesehen wurde. In der PBL fühlte Ursula Bäumler sich zum ersten Mal wirklich verstanden. Das war für sie eine Voraussetzung für die Therapie. «Es ist sicherlich hilfreich, wenn Ursula Bäumlers Verhaltensmuster erkannt werden, damit sie jahrelang verankerte Gedankengänge verändern kann», sagt Schudel.

Flucht in den Alkohol

Sobald sich im Leben der 59-jährigen Patientin Herausforderungen ergaben, mit denen sie nicht umgehen konnte, griff Ursula Bäumler zum Alkohol. Daraus entwickelte sich schnell eine Sucht. Bei Katrin Schudel lernte sie in einer kognitiven Verhaltenstherapie und einer suchtspezifischen Gruppentherapie, die Probleme anders als bisher anzugehen. Gemeinsam wurden Strategien entwickelt, um Muster zu erkennen und zu bearbeiten.

«Ich hatte eine ständige Unruhe in mir, die ich mit dem Alkohol zu besänftigen versuchte. Dass der Alkohol diese Unruhe auslöst, erkannte ich in der Therapie», erklärt Ursula Bäumler. Die psychischen und physischen Schäden ignorierte sie lange. Mittlerweile könne sie wieder «lieb mit sich selber sein», eigene Stärken erkennen und Probleme richtig einordnen. Was ihr persönlich dabei grundlegend half: ihren Umgang mit Humor. «Sobald ich meinen Humor verliere, verliere ich mich komplett, und das muss ich verhindern.»

Klare Erfolge ersichtlich

Dank der Therapie konnte Ursula Bäumler besser mit ihrer Krebsdiagnose umgehen. Da zeigen sich die direkten Erfolge der Behandlung, weil sie bereits viele Strategien im Umgang mit schwierigen Emotionen erarbeitet hatte. Der Prozess sei jedoch noch nicht abgeschlossen, erklärt sie. «Ich lerne noch so viel über mich». Auch die suchtspezifische Gruppentherapie sei «sehr wertvoll», weil ihr dort Verständnis für ihre Situation entgegengebracht werde.

Offen gegenüber Veränderung

«Jeder Mensch sollte sich bewusst sein, dass er oder sie sich während der Behandlung verändern kann», sagt Ursula Bäumler. Eine «offene Kommunikation» in der Therapie und mit dem Umfeld sei wichtig, um die Behandlungsziele zu erreichen.

Ihr Mann habe sie – in einem positiven Sinn – ebenfalls neu kennenlernen müssen. Sie stehe nun für ihre Bedürfnisse ein, sagt Ursula Bäumler, und versteckt sich nicht mehr hinter einer «Fassade». Sie ist davon überzeugt, dass sich der persönliche Einsatz während der Behandlung lohne.

Hilfe ist etwas Positives

Ursula Bäumler legt allen ans Herz, bei Schwierigkeiten Hilfe zu suchen. «Psychische Probleme und deren Behandlung sollte nicht mit Scham behafte sein», findet sie mittlerweile. Sie gibt jedoch zu, dass sie früher auch Vorurteile gegenüber einer Therapie hatte.

Heute sagt sie bestimmt: «Ich fühle mich in meiner Abstinenz sehr sicher. Wenn ich aber in eine Situation kommen würde, in der ich Hilfe benötige, dann weiss ich, wo ich diese finde.»