Geschlechtsinkongruenz bei Kindern und Jugendlichen


Kinder- und Jugendpsychiatrie Liestal
Die Zahl von Kindern mit Fragen zu ihrer Geschlechtsidentität ist in den letzten Jahren gestiegen. Trans Personen weisen eine verminderte Lebensqualität und erhöhte psychische Belastungen auf. Die Kinder- und Jugendpsychiatrie Baselland bietet diesen jungen Menschen in einer spezialisierten Sprechstunde Unterstützung an.
International berichten psychiatrische Institutionen von rasant steigenden Zahlen von jungen Menschen mit Geschlechts-Identitätsproblem in den letzten Jahren, wobei ein Ende des Anstiegs nicht abzusehen ist. Eine extensive Medienberichterstattung, kontroverse Diskussionen – auch in Fachkreisen – und eine Polarisierung in Politik und Gesellschaft tragen dazu bei, dass in diesen Fragen eine grosse Verunsicherung herrscht.
Vermehrte Anfragen
Auch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Psychiatrie Baselland stellen wir in den letzten zehn Jahren eine zunehmende Nachfrage zum Thema Transgender fest. Deshalb haben wir vor sieben Jahren eine Spezialsprechstunde eingerichtet, die wir fortlaufend ausbauen. Anfragen kommen nicht nur von Betroffenen und deren Familien, sondern auch von Lehrpersonen, Schulleitungen, Heimen, niedergelassenen Ärzt*innen und Therapeut*innen sowie von anderen Fachpersonen.
Wichtige Unterscheidungen
Jede Anfrage ist gerechtfertigt und kann zu einem besseren Verständnis und Umgang von und mit Betroffenen beitragen. Bereits eine Klärung der Begrifflichkeiten ist hilfreich. Wichtig dabei ist: Die sexuelle Orientierung bezieht sich auf das sexuelle Begehren und ist losgelöst von der Geschlechtsidentität. Zudem ist Intersexualität oder Intergeschlechtlichkeit von der Transthematik abzugrenzen. Intersexualität bezeichnet ein angeborenes, biologisches Vorhandensein von männlichen und weiblichen Geschlechtsmerkmalen.
Bei Transidentität oder Geschlechtsdysphorie hingegen ist das biologische Geschlecht eindeutig, aber später nicht mit dem subjektiv Erlebten, dem psychischen Geschlecht übereinstimmend. Diese Geschlechtsinkongruenz kann einen enormen Leidensdruck auslösen. Über 40 Prozent der Betroffenen werden suizidal und weisen eine erhöhte psychische Belastung auf. Dabei handelt es sich gehäuft um Depressivität, selbstverletzendes Verhalten, Anorexie oder Autismusspektrumsstörungen.
Anderseits wird Geschlechtsinkongruenz nicht immer leidvoll erlebt oder behandlungsbedürftig. Auch wirkt bereits die Möglichkeit einer Transition und eine wertschätzende, akzeptierende Haltung der Familie entlastend.
Entwicklung zur eigenen Identität
Grundsätzlich machen Kinder auf ihrem Weg zur eigenen Identität Entwicklungsschritte durch, zu denen Frustration, Trauer und Wut gehören auch im Zusammenhang mit dem eigenen Geschlecht. Im Alter von zwei bis drei Jahren erkennt ein Kind den Unterschied von Männer und Frauen. Daraus entsteht ein Bewusstsein, dass man nur wie Mama oder Papa wird.
Kleine Buben können in der Folge traurig sein darüber, nie ein Baby im Bauch zu haben und kleine Mädchen bedauern, nie in hohem Bogen pinkeln zu können. Wenn Eltern dieses Bedauern mitbekommen, denken sie mittlerweile rasch an Transidentität. Dabei ist diese Verzichtsleistung des Kindes ein wichtiger Entwicklungsschritt, bei dem das Kind merkt, dass man als Mensch begrenzt ist.
Transidentität muss nicht von Dauer sein
Bei Geschlechtsinkongruenz stellt sich die Frage, ob sie andauert. Da kein validiertes Erhebungsinstrument existiert, bedarf es immer einer Verlaufsdiagnostik. Insbesondere im Kindes- und Jugendalter sind die Entwicklungsvarianten vielfältig. Zudem ist die Identitätsbildung zur adulten Persönlichkeit oft mit Verunsicherung und Ausprobieren verbunden. So entwickeln zwei Drittel der präpubertären geschlechtsdysphorischen Kinder keine dauerhafte Transidentität.
Hinweise auf dauerhafte Geschlechtsinkongruenz
Es gibt jedoch Prädiktoren, welche auf eine Persistenz der Geschlechtsinkongruenz hinweisen. Dazu gehören ein früher Beginn, früher sozialer Rollenwechsel, klares nichtkonformes Rollenverhalten, hohe Intensität sowie ausgeprägte Konstanz.
Jede Situation ist einzigartig, was eine individuelle Abklärung bedingt, unter Einbezug der Familie und der Lebensumstände. Eine ergebnisoffene und wertfreie Herangehensweise ist Voraussetzung, um den Betroffenen im Rahmen der therapeutischen Beziehung Raum für Reflexion zu bieten.